KulturProjekt

Professionalität in Sachen Geschichte

Aus dem Main-Echo Aschaffenburg vom 3. 12. 1999:

Verbeugung vor den Menschen im Ort

Die neue 0rtschronik Kleinostheims: Geschichtsschreibung herausragender Art

Kleinostheim. Einem Werk mit wissenschaftlichem Anspruch wird möglicherweise eine nichtwissenschaftliche Beurteilung nicht gerecht - Trotzdem lässt sich über die neue Chronik der Gemeinde Kleinostheim nur sagen, dass hier ein wunderbares Buch entstanden ist. »Kleinostheim - Fortschritt mit Tradition« macht Lesen zur Freude, unabhängig vom überprüfbaren Gehalt seiner Aussage.

Dass dem so ist, verdankt die Chronik zuvorderst einem umfangreichen Teil mit Interviews von Zeitzeugen: eine in der Alltagsgeschichte gebräuchliche Art der Forschung mit all ihren durch subjektive Erfahrung getrübten Einschränkungen, die allerdings zumindest in der lokalen Forschung des Raums Aschaffenburg bislang viel zu kurz kommt. Gleichwohl sich hier in den vergangenen Jahren durchaus eine Öffnung bemerkbar gemacht hat und die zahlreichen Heimat- und Geschichtsvereine mit Akribie Protokolle von Zeugen zu verfassen beginnen, halten sich die Autoren von Orts-Chroniken gerne noch zu sehr an die offizielle, weil jederzeit belegbare Schreibart.

Der freiberufliche Historiker Erhard Bus, am Untermain durch seine Arbeit im Heimatmuseum Karlstein bereits bekannt, ist in Kleinostheim nun diesen Weg einer Geschichtsschreibung von unten gegangen: ein letztlich notwendiger Schritt, der auf seine Art identitätsstiftend wirkt in einer zuzugsstarken Kommune wie Kleinostheim. So ist auch ein Buch 

entstanden, das lokale Geschichte nicht als eine von Vertretern der Öffentlichkeit betriebene Entwicklung beschreibt, sondern den Lauf der Zeit als Formung von Gemeinschaft begreift.

Besonders anerkennenswert dabei ist Bus' Bestreben, nicht nur bekannte Kleinostheimer zu Wort kommen zu lassen. Natürlich ist aus Sicht der Forschung notwendig, Männer wie Altbürgermeister Konrad Frieß oder den emsigen Umweltschützer Eduard Bernhard über Taktieren und Spekulieren im kommunalpolitischen Bereich erzählen zu lassen. Eben so notwendig aber ist auch zu zeigen, wie sich Kleinostheim gerade nach dem Zweiten Weltkrieg durch seine Zuzügler entwickelt hat: beispielsweise durch Emilie und Wolfgang Bartneck, die in den Wirren von 1945 von Schlesien an den Untermain kamen; beispielsweise aber auch durch die heute 63 Jahre alte Giuseppa Falcone aus Sizilien, die im Zuge des Wirtschaftswunders zur Kleinostheimerin wurde und in der Gemeinde Wurzeln fand.

Diese Hommage an die Menschen im Ort erhebt den großformatigen Band über das Maß einer Pflichtlektüre für Gemeindebürger.

Erneut eingelöst wird hier der Anspruch - der sich in Kleinostheim in vielen Facetten des gesellschaftlichen Lebens erstaunlich häufig findet - einer Gemeinschaft. Wie selbstverständlich wirken daneben die weiteren Aspekte des über 350 Seiten starken Buchs, die dennoch so selbstverständlich nicht sind im Spektrum der Chroniken: 

Das Dritte Reich wird im Gegensatz zur 1975 herausgegebenen ersten Ortschronik als Teil der Kleinostheimer Geschichte begriffen und nicht verniedlicht, Wirtschaft und Vereine werden jenseits der Selbstdarstellung als treibende Motoren im örtlichen Alltag einer im kommenden Jahr ihren 1025. Geburtstag feiernden Kommune begriffen. In der Gänze ist der Band damit eine Würdigung des Begriffs »Heimat« fern jeden Provinzialismus. Damit nimmt Bus künftig erscheinende Chroniken in Nachbargemeinden in die Pflicht: sicherlich nicht zum Nachteil der an ihrer Basis orientierten Geschichtsforschung, wenn Ansprüche nach oben geschraubt werden.

»Kleinostheim - Fortschritt mit Tradition« wird Erhard Bus heute, Freitag, um 17 Uhr im Hubertussaal der Musikschule in der Aschaffenburger Straße der Öffentlichkeit vorstellen., Die Laudatio hält Helmut Winter, Bürgermeister im benachbarten Karlstein, Schüler und Lehrer der Musikschule umrahmen die Präsentation musikalisch.

Stefan Reis

Gemeinde Kleinostheim (Herausgeber): Kleinostheim - Fortschritt mit Tradition / Zur Geschichte einer Gemeinde von 1800 - 2000; Hanau 1999, 352 Seiten, über 200 Abbildungen sowie Landkarten vom 16. bis 20. Jahrhundert; ISBN 3-00-005114-7; 43 Mark; in Kleinostheim erhältlich bei Bankfilialen, in ausgewählten Geschäften und im Rathaus.

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© Erhard Bus, 2. 11. 2000